Ein Garten für Wildbienen
Nistplatz gesucht: So finden Wildbienen in Deinem Garten ein Zuhause
Viele Wildbienenarten sind massiv vom Aussterben bedroht. Für ihr Überleben brauchen sie geeignete Nistmöglichkeiten, Nahrung und Baumaterial, um ihre Nistplätze zu gestalten. Du erfährst in diesem Artikel, welche Lebensraumbedürfnisse die verschiedenen Wildbienenarten haben und wie Du ihnen in Deinem Garten, Schul- oder Hinterhof helfen kannst.
In Sachsen gibt es 407 Wildbienenarten. 70,5 Prozent von ihnen sind bereits ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Hauptursache für das massive Wildbienensterben ist der Verlust geeigneter Lebensräume. Die wichtigste Maßnahme zum Wildbienen-Schutz ist daher, natürliche Nistmöglichkeiten und Nahrungsquellen zu erhalten. In unserem Ökolöwen-Appell "Mehr Grün für Leipzig" fordern wir gemeinsam mit vielen tausend Leipziger:innen, dass Stadtverwaltung und Stadtrat vorhandene Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten und weitere schaffen.
"Insektenhotels" aka Wildbienen-Nisthilfen
So genannte „Insektenhotels“ für Hohlraumbewohner sind die populärste Variante, um Wildbienen zu unterstützen. In den Niströhren, die Durchmesser von zwei bis neun Millimeter haben sollten, nisten eine Handvoll (noch) sehr häufig vorkommende Wildbienenarten: oft die Gehörnte und die Rostrote Mauerbiene. Weil diese Wildbienenarten nicht bedroht sind, leisten solche Nisthilfen keinen Beitrag zum Artenschutz. Sinnlos sind sie - vorausgesetzt sie werden fachgerecht gebaut und gepflegt - dennoch nicht. An den Nisthilfen können Wildbienen gut beobachtet werden. Gerade für Kinder ist dieser naturpädagogische Aspekt sehr wertvoll.
Kleine und große Wildbienen-Expert:innen sprechen übrigens immer von Wildbienen-Nisthilfen und nicht von "Insektenhotels", weil sie wissen, dass die Tiere dort nicht nur drei Übernachtungen mit Frühstück gebucht haben und bei Nichtgefallen weiterziehen. Die weiblichen Wildbienen legen in den Nisthilfen ihre Brut ab und versorgen sie mit Blütennahrung. In den Niströhrchen findet die komplette Entwicklung der Wildbiene bis zum ausgewachsenen Tier statt, das im kommenden Jahr ausfliegt, um den Naturkreislauf erneut zu starten.
Wusstest Du schon, dass es fünf verschiedene Nistvarianten unter den Wildbienenarten gibt?
- Hohlraum bewohnende Wildbienen, die Du zum Beispiel von klassischen Nisthilfen kennst
- im Boden nistende Wildbienen
- markhaltige Stängel bewohnende Wildbienen
- Totholz bewohnende Wildbienen
- Steilwand bewohnende Wildbienen
Tipps zum artgerechten Bau von Nisthilfen für alle fünf Wildbienen-Nistvarianten
- Niströhren mit unterschiedlichen Durchmessern von zwei bis neun Millimetern sind für verschiedene Wildbienenarten geeignet. Scheren- und Maskenbienen besiedeln die Niströhren mit den kleinsten Durchmessern. Löcher-, Mörtel-, Blattschneider- und Mauerbienen nisten in Niströhren mit Durchmessern von 3-9 Millimetern. Als Material eignen sich Schilfrohr, Bambus, Japanischer Staudenknöterich, im Handel extra zum Nisthilfenbau erhältliche Pappröhren, Strangfalzziegel oder mindestens drei Jahre abgetrocknete Hartholzblöcke, zum Beispiel Robinie oder Eiche, mit entsprechenden Bohrungen ins Stirnholz. Wichtig: Frisch geschlagenes Holz ist nicht zum Nisthilfenbau geeignet.
- Häufig wird bei Holzblöcken ins Hirnholz, dort wo die Jahresringe erkennbar sind, gebohrt. Das führt zu Rissen, die das Eindringen von Feuchtigkeit und Parasiten begünstigen, was die komplette Brut in Gefahr bringt. Besser ist es, in die Fläche zu bohren, an der sich die Rinde befindet, ins so genannte Stirnholz.
- Einzelne Bohrungen sollten im Abstand von mindestens 1,5 Zentimetern gesetzt werden. Kleinere Abstände führen ebenfalls zu Rissbildung.
- Ungeeignet sind so genannte „Beobachtungsröhrchen“ aus Acryl. Da bei diesem Material keine Luftzirkulation möglich ist, verpilzt es häufig, was zum Absterben der Wildbienenlarven führt.
- Die Röhren oder Bohrungen sollten eine Tiefe von mindestens 10 Zentimetern aufweisen.
- Die Niströhren müssen hinten abgeschlossen und damit abgedunkelt sein, damit Wildbienen sie annehmen. Bei Bambus oder Japanischem Staudenknöterich wird das Röhrchen hinter einem Knotenpunkt, der von außen als Verdickung erkennbar ist, mit einer scharfen Gartenschere oder besser einer sehr feinen Säge abgeschnitten. Bei Material, das nicht von Natur aus abgeschlossen ist, wird das Röhrchen mit Gips, Lehm oder Watte verschlossen.
- Besonders gern werden Hohlräume mit glatten Innenseiten und Eingängen angenommen. Je nach Durchmesser können die Röhren oder Bohrungen mit einer langen Schraube, einem feinen Bohrer oder einem Pfeifenreiniger vorsichtig von Fasern befreit werden. Die Eingänge werden mit feinem Sandpapier glatt geschliffen.
- Die Niströhren werden waagerecht platziert. Ein sonniger, wind- und regengeschützter Standort ist ideal.
- Sinnvoller, als große Nistangebote mit vielen hundert oder sogar tausend Röhrchen zu machen ist es, viele kleine Nistelemente an geeigneten Standorten zu verteilen. Kohlmeise, Specht und andere Tiere, die die Wildbienenlarven gern aus den Röhren fressen, machen auf diese Weise nicht ganz so leicht „fette Beute“. In Blechbüchsen gesteckt, lassen sich die Niströhren wettergeschützt aufhängen. Auf diese Weise entstehen mit wenig Arbeits- und Kostenaufwand kleine Nisthilfen.
- Leere Schneckenhäuser, Zapfen, Stroh oder Lochziegel haben in Wildbienennisthilfen nichts verloren. Diese Materialien werden, wenn überhaupt, von Parasiten als Lebensraum genutzt. Stattdessen gefährden sie die Hygiene der Nisthilfe und damit das Überleben der Wildbienenlarven massiv.
Einige Keulhornbienen-, Masken-, Mauerbienen- und Blattschneiderbienenarten nisten in markhaltigen Stängeln, die sie aushöhlen und in die sie ihre Larven hineinlegen. Dazu eignen sich Brombeerruten am besten. Sie werden in 80-100 Zentimeter lange Stücken geschnitten und einzeln, vertikal im Garten, Hinterhof oder auf dem Balkon aufgehängt. Die einzelnen Stängel sollten mehr als 25 Zentimeter Abstand zueinander und keinen Bodenkontakt haben. In Bündeln oder waagerecht angebracht, werden die Stängel nicht angenommen.
Neben Brombeere sind auch Stängel von Königskerzen, Disteln oder Himbeeren geeignet. Die Besiedlung der Stängel erkennt man an einem gut sichtbaren Loch in der Mitte der oberen Stängelschnittstelle. Die Ruten sollten dann mindestens ein Jahr hängen bleiben. Erst dann schlüpft die nächste Wildbienengeneration.
Ganz anders, als der Name Totholz vermuten lässt, verbirgt sich dahinter ein Lebensraum von unschätzbarem Wert für viele Insekten, aber auch Pilze und andere Kleinlebewesen. Die große Blauschwarze Holzbiene, aber auch die Wald-Pelzbiene und die Schwarzbürstige Blattschneiderbiene nagen Gänge in Totholz, um dort ihre Nachkommen abzulegen. Diese Wildbienen schätzen es, wenn sie abgestorbene Bäume oder Äste stehend am Wuchsort belassen oder liegend an einem sonnigen Standort im Garten vorfinden.
Von den sächsischen Wildbienenarten gehören beispielsweise die Rainfarn-Seidenbiene, die Vierfleck-Pelzbiene, einige Schmalbienenarten und die Fleckenbiene zu den Steilwandbewohnern.
Viele der Steilwand bewohnenden Arten suchen aufgrund massiver Lebensraumverluste in den letzten Jahrzehnten Zuflucht in Siedlungsräumen.
An einem sonnigen, wettergeschützten Standort im Garten, Schulhof oder auf dem Balkon können wir dieser bedrohten Wildbienengruppe einen Nistplatz anbieten.
- Dazu wird ein mindestens 50 Zentimeter langes, mindestens 15 Zentimeter breites und mehr als 15 Zentimeter tiefes stabiles Gefäß benötigt. Geeignet sind Eternit-Blumenkästen, Holzkästen, Mörtelwannen oder Ähnliches.
- Das Gefäß wird mit reinem Löß oder sandigem Lehm gefüllt. Löß ist ein wertvolles Sediment, das in weiten Teilen Sachsens verbreitet ist. Es sollte allerdings nicht aus der Natur entnommen werden und ist ohnehin in Oberflächennähe selten auffindbar. Eventuell können bei Aushubarbeiten auf Baustellen kleine Mengen mitgenommen werden.
- Alternativ kann ein sandiger, nicht zu fetter Lehm zum Bau einer künstlichen Steilwand genutzt werden. Ziel ist, dass das Material getrocknet nicht zu stark aushärtet. Dann ist es für die Wildbienen zum Graben unattraktiv und wird nicht angenommen. Der Lehm darf auch kein Stroh enthalten. Er wird schichtweise in das Gefäß gefüllt. Dabei wird jede Schicht verdichtet.
- Um Steilwand bewohnende Wildbienen anzulocken, werden vorsichtig einige 5 Millimeter tiefe Löcher in den Lehm gebohrt. Die Tiere graben dann selbständig weiter.
Die Gruppe der erdnistenden Wildbienenarten ist die größte. Um die 70 Prozent nisten in ebenen Bodenstrukturen. Dabei sind ihre Ansprüche ganz verschieden: Manche Arten bevorzugen eher sandige, manche lehmigere Strukturen. Manche Arten nutzen Nistplätze mit Bewuchs, manche siedeln sich nur an, wenn die Fläche komplett frei von jeglicher Vegetation ist. Die Vielfalt an Nistplatzansprüchen geht weit über diese genannten Varianten hinaus. Sie macht es schwer, DIE EINE Nisthilfe zu bauen, die den bodenbewohnenden Wildbienen gerecht wird.
Offene, unversiegelte Wege und Sitzplätze an schattigen sowie besonnten Standorten und geduldeter lückiger Bewuchs auf den Beeten bieten einer Vielzahl erdnistender Wildbienen ohne unser spezielles Zutun geeignete Nistplätze.
Eine weitere Möglichkeit erdnistende Wildbienen in den eigenen Garten einzuladen, ist der Bau eines „Sandariums“. Hierzu wird ungewaschener, lehmiger Sand auf einer mehr als zwei Quadratmeter großen, besonnten, wettergeschützten Fläche Schicht für Schicht aufgetragen und verdichtet. In Leipzig sind die tieferen Bodenschichten recht lehmig. Daher genügt es zur Vorbereitung der Fläche 40 Zentimeter des Oberbodens abzutragen und dann um eine 60 Zentimeter hohe lehmige Sandschicht zu ergänzen. Die Fläche muss weitgehend frei von Bewuchs bleiben.
Im Stadtgarten Connewitz, dem Gemeinschaftsgarten des Ökolöwen, gibt es seit 2018 ein Sandarium. Nachdem es die ersten beiden Jahre nur mäßig besiedelt wurde, kann nun zum Beispiel die Frühlings-Seidenbiene an der Nisthilfe beobachtet werden. Bei Katzen ist die Sandfläche allerdings ebenfalls beliebt. Geschnittene Brombeerruten, als Gitter über das Sandarium gelegt, schützen die Brutgelege der Wildbienen vor den Vierbeinern.
Aus dem Wunsch heraus, der großen und aufgrund massiver Lebensraumverluste besonders bedrohten Gruppe der erdnistenden Wildbienen zu helfen, gab es in den letzten Jahren einen großen Hype um Sandarien. Mittlerweile ist klar, dass diese Art der Nisthilfe nicht allen Erdnistern hilft, sondern nur denen, die sandige Strukturen bevorzugen. In Gebieten, wo es keine natürlichen Sandlebensräume gibt, sind aktuell auch keine Arten beheimatet, die diese Struktur bewohnen. Offene Stellen in natürlichen Bodenstrukturen sind ein wertvolles Lebensraumangebot für Insekten. Ein bisschen Mut zur Lücke ist ein guter Anfang, um bedrohten Wildbienenarten zu helfen.
Nicht vergessen: Nisthilfen machen nur in Kombination mit einem Nahrungsangebot Sinn
Für die Unterstützung aller Wildbienenarten und vieler anderer bedrohter Insekten, ist es unverzichtbar, neben Nistmöglichkeiten und Nistbaumaterial auch Nahrung in Form heimischer Wildpflanzenarten anzubieten.
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