Prager Straße: Was geplant war und gebaut wird
Prager Straße
Die Prager Straße wird auf Höhe des Völkerschlachtdenkmals umgestaltet. Was war geplant? Was wurde beschlossen? Was wird gebaut?
Der Umbau der Prager Straße auf Höhe des Völkerschlachtdenkmals ist höchst umstritten. Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Lager. Die einen wollen auf dieser wichtigen Ausfallstraße den Autoverkehr gegenüber anderen Verkehrsarten priorisieren. Die anderen wollen gleichberechtigte Verhältnisse für alle Verkehrsarten auch an dieser Stelle. Doch der Reihe nach.
Breitere Straßenbahnen für Leipzig
Den Anlass für den Umbau des Teilstücks der Prager Straße liefert die Straßenbahn. Bereits in den 1990er Jahren fasste der damalige Stadtrat einen Grundsatzbeschluss: Die LVB sollen eines Tages breitere Bahnen bekommen, so wie sie bspw. Dresden schon hat. Die Vorteile:
- höhere Kapazität bei gleichen Personalkosten
- mehr Komfort für die Fahrgäste
- schnelleres Ein- und Aussteigen und damit weniger Eigenbehinderung und Verspätung
Der Nachteil: Damit sich die breiteren Straßenbahnen begegnen können, ohne zusammenzustoßen, müssen die Gleise auf allen Linien auseinandergezogen werden. Das ist ein Mammutprojekt.
Seit den 1990ern wurde bei jedem grundhaften Straßenumbau die künftige Gleisstruktur mitgedacht: Die Schienen wurden vorausschauend auseinandergezogen. Komplett geschafft ist das bisher auf der Linie 16. Für die Linie 15 steht es kurz bevor. Heute im Jahr 2024 fehlt nur noch ein einziges kleines Teilstück – und zwar hier am Völkerschlachtdenkmal.
2022 Variantenuntersuchung und Planungsbeschluss für die Prager Straße:
Bereits vor zwei Jahren brachten Stadt und LVB einen Vorschlag in den Stadtrat, der aufzeigt, wie die Prager Straße am Völkerschlachtdenkmal und Südfriedhof umgebaut werden soll, damit hier die neuen, breiteren Straßenbahnen ab 2026 eingesetzt werden können. Dem Ganzen sind ausführliche Variantenuntersuchungen vorausgegangen.
Dabei wurde auch untersucht, die Baumallee zu fällen. Denn vier Kfz-Fahrspuren können mit dem neuen, breiteren Gleisbett nur beibehalten werden, wenn entweder die Baumallee gefällt wird oder Autos mit der Straßenbahn gemeinsam auf den Gleisen fahren.
Wir Ökolöwen haben uns vehement gegen das Fällen der Baumallee gestellt und für ein separates Rasengleis ausgesprochen. Dazu muss man wissen: Die LVB bekommen nur dann Fördermittel vom Bund, wenn der Gleiskörper als separater Gleiskörper gebaut wird (ohne Mitbenutzung von Autos).
Stadt und LVB schlugen dem Stadtrat schließlich Umbau-Variante 1b mit Baumallee und separatem Rasengleis vor:
- Aufgrund des breiteren separaten Gleiskörpers bleiben nun statt bisher 6,06 m nur noch 5,65 m zwischen Gleis und Baumallee.
- Damit können keine vier Fahrbahnen mehr eingeordnet werden. Die Grundlage dafür gibt die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt06) vor. Dort heißt es: Die zweistreifigen Richtungsfahrbahnen bei einer Straße mit Mittelstreifen sollen im Regelfall 6,50 m breit sein, bei dominierendem Bus- oder Lkw- Verkehr: 7,00 m. Es passt also nur noch eine (überbreite) Fahrbahn je Richtung in den Straßenabschnitt.
- Was aber noch hinpasst, ist je ein 2 m breiter Radfahrstreifen pro Richtung. Das trifft sich gut, denn gleichzeitig ist der aktuelle gemeinsame Geh-/Radweg viel zu schmal und dadurch regelwidrig. Die Stadt muss den Radverkehr auf der Straße abbilden. Der Fußweg ist den Fußgängern vorzubehalten. So sind nun mal die Bundesrichtlinien, die die Stadt zu beachten hat.
2022 vom Stadtrat beschlossene Planungsvorlage für den Umbau der Prager Straße
Nach langem Hin und Her und vielen Diskussionen stimmte der Stadtrat schließlich für die Vorzugsvariante von Stadt und LVB. Jetzt wurden im Anschluss alle Detailpläne erstellt, der Bauablauf organisiert und eingetaktet und sich um die nötigen Gelder im Haushalt sowie bei den Fördermittelgebern gekümmert.
November 2024: Baubeschluss im Stadtrat
Ende 2024 waren alle Detail-Pläne fertig. Es musste nur noch der Baubeschluss vom Stadtrat gefasst werden, damit im April 2025 die Bagger und 2026 die neuen Bahnen rollen können. Doch CDU, AFD, IHK sowie eine Bürgerinitiative wollten den Bau verhindern und forderten, die gesamte Planung noch mal von vorn zu beginnen. Die CDU war damit zuvor sogar in den Kommunalwahlkampf gezogen. Ihr Motto: Die Prager Straße bleibt zweispurig.
Kurz vor der Abstimmung im Stadtrat im November 2024 folgte ein Schlagabtausch in der LVZ. Wenige Tage vor der Sitzung reichte die CDU einen Änderungsantrag ein, der dann punktweise abgestimmt wurde. Auch andere Parteien legten daraufhin nach.
Was hat der Stadtrat im November 2024 für die Prager Straße beschlossen?
Änderungsantrag CDU
Der Beschlussvorschlag wird wie folgt ergänzt:
1. Die notwendigen Gleiserweiterungen für den Einsatz der neuen Straßenbahnzüge werden realisiert. (so beschlossen)
2. Auf die weiteren im Bau- und Finanzierungsbeschluss geplanten Eingriffe in den Straßenraum wird verzichtet. Die Anzahl der Fahrspuren von zwei je Richtung bleibt erhalten, wobei in den untermaßigen Bereichen die Markierung der zwei Spuren entfällt. (so beschlossen)
3. Der Geh-/Radweg stadteinwärts wird beibehalten. Stadtauswärts teilen sich Fußgänger und Radfahrer den vorhandenen Geh- und Radweg. Der Geh-/Radweg stadtauswärts wird entsprechend der gesetzlichen Mindestbreite ausgebaut. Zu diesem Zweck werden die Mauer am Friedhof und die Hecke am Völkerschlachtdenkmal versetzt. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit der Denkmalschutzbehörde entsprechende Gespräche zu führen und dem Stadtrat über das Ergebnis zu berichten. (so beschlossen)
4. Für die Querung der Fußgänger im Eingangsbereich und Haltestellenbereich am Südfriedhof ist ein attraktiver und sicherer Raum zu gewährleisten. (so beschlossen)
5. Für die Herstellung einer barrierefreien Bushaltestelle in stadtauswertiger Richtung wird der gesamte Fußweg auf die erforderliche Höhe angehoben. (so beschlossen)
6. Die Stadtverwaltung prüft, ob und wie die Straßenbahntrasse gleichzeitig für Rettungswagen/ Feuerwehr/Polizei genutzt werden können. (so beschlossen)
7. Zur Stärkung des Radverkehrs ist ausdrücklich die Naunhofer Straße als Verbindung zwischen den Kliniken und der Innenstadt als Hauptroute auszubauen. (so beschlossen)
Änderungsantrag SPD
Der Beschlussvorschlag wird wie folgt ergänzt:
3. Stadtauswärts wird ein zusätzlicher Radfahrstreifen, entsprechend der derzeitigen Planung, geschaffen. (abgelehnt)
4. Die Verwaltung entwickelt ein Konzept zur Schaffung zusätzlicher Park-and-Ride-Möglichkeiten in Südost entlang der Straßenbahnlinie 15. Das Konzept ist in 2025 vorzulegen. (so beschlossen)
5. Die Naunhofer Straße wird als Fahrradstraße entsprechend dem Radverkehrsentwicklungsplan entwickelt. Eine Umwidmung in eine Fahrradstraße erfolgt in 2025. (in CDU-Punkt 7 enthalten)
6. Weitere Entlastungsmaßnahmen für den Durchgangsverkehr werden umgesetzt. Hierzu zählen u. a. der Kreisverkehr in der Naunhofer Straße sowie eine Veränderung der Einmündung für Radfahrer und Fußgänger der Naunhofer Straße in die Kommandant-Prendel-Allee. (so beschlossen)
Änderungsantrag Die Linke
1. Zur Flankierung der Baumaßnahme und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsflusses wird für einen Zeitraum von 3 Jahren die Mitfahrt in der Straßenbahnlinie 15 im Abschnitt Haltestelle Meusdorf bis Haltestelle Augustusplatz für die Fahrgäste der LVB komplett kostenfrei. Gleiches gilt für die Linie 2 zwischen den Haltestelen Meusdorf bis Altes Messegelände. Gleichzeitig prüft die LVB eine Taktverdichtung auf dem Abschnitt der Prager Straße. (als Prüfauftrag so beschlossen)
2. Im Jahr 2025 werden die Park-and-Ride-Kapazitäten in Probstheida und Meusdorf ausgeweitet. Über den Stand der Umsetzung wird nach Abschluss der Baumaßnahme der Ausschuss Stadtentwicklung und Bau informiert. (als Prüfauftrag so beschlossen)
Die Petition der Bürgerinitiative ist als Abwägungsmaterial mit eingebracht (wie Prüfauftrag).
Die Vorlage der Verwaltung selbst (Beschlussvorschlag) wurde mit den Änderungen mit großer Mehrheit angenommen (so beschlossen).
⇒ Zusammenfassend hat der Stadtrat also der Gleiserweiterung entsprechend der Vorlage der Stadt zugestimmt (breiterer, separater Gleiskörper und Erhalt Baumallee). Damit hat der Stadtrat beschlossen, dass Herr Dienberg die Fahrstreifen in dem Abschnitt der Prager Straße von vormals 4 auf 2 überbreite Fahrbahnen reduzieren soll.
Denn der gesamte Bauabschnitt ist untermaßig. Demnach zieht der letzte Halbsatz im beschlossenen Punkt 2 im CDU-Antrag: „[…], wobei in den untermaßigen Bereichen die Markierung der zwei Spuren entfällt“.
Zusätzlich soll das Mobilitätsamt entsprechend dem Mehrheitsbeschluss von CDU, AFD, BSW, FDP, Freie Wähler und Freie Sachsen die denkmalgeschützte Hecke am Völkerschlachtdenkmal sowie die historische Mauer des Südfriedhofs roden bzw. abreißen und auf gesamter Länge rund einen Meter versetzen, wenn die Denkmalschutzbehörde dem zustimmt.
Das Mobilitätsamt soll den Radverkehr stadtauswärts und stadteinwärts mit auf dem Gehweg der Fußgänger unterbringen.
Wie werden Stadt und LVB nun wahrscheinlich bauen?
Eine Denkmalschutzbehörde, die ihren Namen verdient, wird nicht zustimmen, in das geschützte Ensemble des Völkerschlachtdenkmals und des Südfriedhofs derart einzugreifen. Damit werden Stadt und LVB den Gehweg auf stadtauswärtiger Seite wahrscheinlich bei 2,10 m Breite im Bestand belassen müssen.
Auf einem 2,10 m schmalen Fußweg darf die Straßenverkehrsbehörde laut Bundesrichtlinien keinen gemeinsamen Geh-Radweg anordnen. Dieser müsste dafür mindestens 2,50 m breit sein. Gleiches gilt für eine Beschilderung „Gehweg / Rad frei“. Gegen diese Anordnung auf der Prager Straße wurde bereits offiziell Einspruch bei der Straßenverkehrsbehörde erhoben.
Damit muss der Radverkehr zumindest stadtauswärts zwingend auf der Straße geführt werden
Die Straßenverkehrsbehörde ist nun wiederum verpflichtet, einen Radfahrstreifen zu markieren. Sie muss das tun, da dieser aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Diese verkehrsrechtlich relevanten „besonderen Umstände“ geben die sogenannten Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) vor. Das ist das für Deutschland gültige technische Regelwerk für die Planung, den Entwurf und den Betrieb von Radverkehrsanlagen.
In der ERA ist festgelegt, dass bei den Verkehrsstärken in der Prager Straße ein Radfahrstreifen anzulegen ist. Die stündliche Kfz-Verkehrsmenge in dem Abschnitt der Prager Straße liegt über 1.200 Kfz/h und damit in Belastungsstufe III (Kapitel 2.3.2 ERA). In Belastungsstufe III sind Radfahrstreifen anzulegen.
Fazit
Wir halten also fest. Das Mobilitätsamt von Herrn Dienberg kann gar nicht anders als stadtauswärts einen Radfahrstreifen anzulegen, wenn es den Beschluss der Ratsversammlung umsetzen will. Das hatte das Amt den Stadträten im Vorfeld der Abstimmung bereits klar kommuniziert.
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