Was Du bei der Verwendung von Saatgut beachten musst

Worauf Du bei der Verwendung von Saatgut achten solltest

Ob auf dem Balkon, im Garten, Hochbeet oder Hinterhof, selbst auf dem Fensterbrett: Es gibt viele Möglichkeiten in der Stadt, gärtnerisch aktiv zu werden. Dafür braucht es nur das passende Saatgut. Diese Aspekte solltest Du dabei beachten.

Saatgut im Handel

Noch vor einhundert Jahren gab es einzig und allein samenfestes Saatgut. Samenfest beschreibt, dass die prägenden Eigenschaften der Elternpflanzen und ihrer Vorgänger:innen fest im Samen gespeichert sind. Das Saatgut der Pflanze kann für den Anbau der Sorte geerntet und wiederum in der kommenden Saison genutzt werden. Diesen Naturkreislauf – von der Saat zur Saat – nutzen viele Pflanzen seit jeher zur eigenen Fortpflanzung.

F1, hybrid oder samenfest: Wo liegt der Unterschied?

Hybridsaaten, auch F1 genannt, entstehen nicht auf dem Acker. Im Labor wird von Saatgutkonzernen mit ausgewählten Mutterpflanzen- und Vaterpflanzenlinien so lange Inzucht betrieben, bis diese Elterngeneration schlapp, kränklich und degeneriert ist. Im nächsten Schritt werden die beiden Pflanzen miteinander gekreuzt: endlich frische, neue Gene! Aus dieser Kreuzung entsteht eine Art Super-Nachwuchs, der alle positiven Anfangseigenschaften seiner Eltern zeigt. Soweit klingt das Züchten von Hybridsorten nach einer Erfolgsgeschichte. Das perfekte Saatgut: vor allem für perfektes Gemüse! Doch Hybrid-Saatgut hat erhebliche Nachteile.

Die Samen der Pflanzen, die aus dem Hybridsaatgut heranwachsen, sind ein Überraschungspaket: Sie zeigen auf nicht planbare Weise potentiell alle Eigenschaften der Elterngeneration und ihrer Vorgänger. Krankheitsanfälligkeit, Starkwuchs, Mickerwuchs, wenige oder keine Erträge - alles ist jetzt möglich. Das Saatgut einer Hybride ist aus diesem Grund nicht nutzbar. F1-Saatgut muss jede Saison neu gekauft werden. Ein Problem mit gravierendem Ausmaß: Die Welternährung hängt an Hybridsaaten und damit am Haken der Saatgutindustrie, die Milliarden mit dem "Einmal-Saatgut" verdient.

Die Verpackungsdeklaration von Hybridsorten ist für den hobbygärtnerischen Bereich freiwillig. Die Recherche zeigt: im Supermarkt, Baumarkt oder Gartencenter sind die Saaten für Kohl, Tomaten, Gurken, Möhren oder anderer Kulturarten fast ausschließlich Hybride - auf der Verpackung erfährt man davon nichts. Leider ist auch Bio-zertifiziertes Saatgut nicht zwingend die richtige Wahl. Eine Auskunft darüber, ob es sich um Hybridsaatgut oder samenfestes Saatgut handelt, gibt die Bio-Deklaration nicht.

Leider ist samenfestes Saatgut fast ausschließlich im Internet erhältlich. Die Recherche nach passenden Anbietern lohnt sich: Sie verkaufen alte, bewährte Sorten, setzen sich für Artenvielfalt ein und stellen ihr Saatgut mit viel Liebe her. Gerne lassen wir Dir auch eine Übersicht zukommen. Schick uns einfach eine E-Mail.

Warum der Erhalt der Saatgutvielfalt so wichtig ist

Pflanzen sind verschiedensten Bedrohungen ausgesetzt: Ein massiver Schadinsektenbefall, Krankheitserreger oder durch die Klimakrise veränderte Standortbedingungen können schnell das Ende einzelner Sorten bedeuten. Ein Beispiel für die verheerenden Auswirkungen, die der Monokulturanbau einer einzigen Sorte haben kann, ist die große Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts. Die irischen Kartoffeln wurden damals aus wenigen Mutterpflanzen einer Sorte gezogen. Die aus Amerika neu eingeschleppte Kartoffelfäule hatte durch die geringe genetische Breite der Kartoffelpflanzen leichtes Spiel und vernichtete die kompletten Ernten.

Eine Vielzahl an Sorten einer Pflanzenart stellt ein "Backup" an genetischer Breite dar. Im Bedarfsfall kann auf Sorten zurückgegriffen werden, die mit Krankheitserregern, Schadinsekten oder schwierigen Bedingungen keine Probleme haben. Züchterisch kann aus dem breiten Genpool geschöpft werden, um Sorten weiter oder neu zu entwickeln, die robust, gesund und standortangepasst wachsen. So ist Sortenvielfalt auch eine Versicherung für unsere Ernährung. Der Lobbyismus der Saatkonzerne und die Allgegenwärtigkeit der genetisch bewusst eingeschränkten Hybridsorten treibt samenfeste, alte Sorten in eine Nische.

DIY-Tipp: Ernte eigenes Saatgut

Das Kulturhandwerk der Saatgutgewinnung ist eine 12.000 Jahre alte Erfolgsgeschichte. Obwohl das Wissen um die Saatgutvermehrung kostbar ist und auf diese Weise viel Geld gespart werden kann, das sonst Jahr für Jahr für Saaten ausgegeben wird, gibt es nur wenige Menschen, die ihr Saatgut selbst vermehren.

Die Pflanzen ihren kompletten Lebenszyklus hindurch zu begleiten, ist faszinierend. Tomaten, aber auch Bohnen und Salat sowie viele Wildblumen eignen sich gut, um erste eigene Versuche bei der Saatgutvermehrung zu wagen. Da die Natur Samen im Überfluss bereithält, kannst Du einen Teil verschenken oder tauschen. In unserem Handout "Saatgut selbst gewinnen" beschreiben wir, wie Du bei der Saatguternte und -aufbereitung vorgehst.

75 Prozent der Nutzpflanzenvielfalt bereits verloren

Ob Supermarkt oder Bioladen, in der Gemüseabteilung sieht es ganz ähnlich aus: Es gibt DIE Gurke oder es gibt DEN Mais. Tatsächlich gibt es von beiden – und allen anderen – Gemüsearten viele hunderte Sorten mit verschiedenen geschmacklichen oder optischen Eigenschaften. Laut der Welternährungsorganisation FAO sind in den letzten 100 Jahren weltweit 75 Prozent der Vielfalt an pflanzlichen Nahrungsmitteln verloren gegangen. Die Sortenvielfalt schwindet jedes Jahr um weitere ein bis zwei Prozent.

Der Saatgutmarkt ist mittlerweile stark reguliert. Um Sorten im Handel anbieten zu können, müssen langwierige und kostspielige Zulassungsverfahren durchlaufen werden. Kleinen Saatgutanbietern fehlt dazu der lange Atem, das Geld und auch die geschäftliche Perspektive. Aus diesen Gründen konzentriert sich der Saatgutmarkt immer weiter.

Heute dominieren vier Großkonzerne mehr als 70 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes: BASF, Syngenta, Bayer und Corteva Agrisciene. Alle vier Unternehmen sind Agrochemiekonzerne, die neben Saatgut auch Unkrautvernichtungsmittel, Insektizide und Düngemittel verkaufen. Saatgut ist zum Massenprodukt geworden. Wenige Hybridsorten werden in großen Mengen angeboten.

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