Unsere Forderungen für mehr Natur in Leipziger Parks
Unsere Forderungen für mehr Natur in Leipziger Parks
In Leipzigs Parks und Grünflächen schlummert ein riesiges Potential. Sie könnten einen enormen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt leisten. Tun sie aber nicht. Dabei würden schon kleine Maßnahmen einen großen Unterschied machen.
Seit vielen Jahren setzen wir Ökolöwen uns für eine naturnahe Grünflächenpflege und –gestaltung in Leipzig ein, um die heimische Tierwelt zu schützen. Trotz aller Warnzeichen des Artensterbens und der Klimakrise stehen jedoch ästhetische Anforderungen weiterhin im Vordergrund: Die Parkanlagen sollen ordentlich aussehen, aufgeräumt, es soll attraktiv grünen und blühen – um uns Menschen zu gefallen.
Das fängt schon bei der Pflanzenwahl an. Der Flieder ist hübsch anzusehen und erfreut mit seiner prächtigen Blüte die flanierenden Parkbesucher:innen. Für heimische Vögel und Insekten hingegen hat er nichts zu bieten: keine Pollen, keinen Nektar, keine Beeren. Da könnte an der Stelle auch ein Stahlgerüst stehen.
Dabei schließen sich gestalterische und ökologische Ansprüche gar nicht aus. Es handelt sich vielmehr um Vorstellungen von Schönheit, die über Jahrzehnte geprägt und manifestiert wurden . Hinzu kommen denkmalschutzrechtliche Belange: einfache biodiversitätsfördernde Maßnahmen, wie das Ablegen von alten Baumstämmen zur Förderung von wertvollen Totholzstrukturen, werden vom Denkmalschutz in Leipzig abgelehnt. Vor dem Hintergrund, dass 50 Prozent aller Leipziger Parkanlagen unter Denkmalschutz stehen, ist das ein Problem. Ein Problem, dass wir ändern wollen.
Unsere Parks müssen heimischen Pflanzen und Tieren ein Zuhause geben und so einen Beitrag für mehr Artenvielfalt in der Stadt leisten. Sie müssen die Nutzungsansprüche der Leipziger:innen mit den Lebensraumansprüchen der Fauna in Einklang bringen. Ein positives Leipziger Beispiel für eine naturnah angelegte Grünfläche ist der 2022 neu angelegte Stadtteilpark Rietzschke-Aue Sellerhausen. Diese Anlage sollte eine Vorbildfunktion für Leipzig haben: Sie zeigt, dass es möglich ist.
Zehn Ökolöwen-Grundsätze für Leipziger Parks
Wir Ökolöwen fordern zehn verbindliche ökologische Pflegegrundsätze für alle Leipziger Parks und Grünflächen. Die Grundsätze sollen zeitnah Standard in der Leipziger Grünflächenpflege werden und ein deutliches Zeichen setzen: Artenvielfalt und Klimakrise haben Vorrang vor überholten repräsentativen und ästhetischen Ansprüchen. Der Clou: Ein Großteil der Maßnahmen, kann sogar ohne viel Mehraufwand direkt umgesetzt werden.
1. Mehr Wiesen statt kurzen Rasen anlegen: Wir fordern eine Ausweitung von extensiv bewirtschafteten Flächen, die Entwicklung von Blühwiesen und ein konsequentes Belassen von Saumbereichen um Hecken und Sträucher. Diese Strukturen bieten Tieren Möglichkeiten zum Rückzug und zur Fortpflanzung, und sie schaffen Nahrungsangebote. Außerdem speichern die Böden mehr Wasser und verhindern, dass Grünflächen in heißen Sommern in kurzer Zeit vertrocknen.
2. Zonen für Menschen und für Tiere bereithalten: In unseren Parks braucht es Flächen, die den Leipziger:innen Platz für Erholung und sportliche Aktivitäten bieten. Aber es braucht gleichzeitig ungestörte Bereiche, die den tierischen Parkbewohnern vorbehalten sind – exklusive Lebensräume mitten in der Stadt.
3. Biodiversitätsfördernde, standortangepasste Pflanzen wählen: Wir fordern, dass bei Neu- und Nachpflanzungen zwingend heimische Gehölze, Stauden und Saatgut zu wählen sind. Mindestens sollten die Pflanzen aber für unsere heimische Insekten- und Vogelfauna von Nutzen sein. Artgerechte Nahrung für die heimischen Insekten und Vögel in Form von Pollen, Nektar, Beeren und Blättern ist das oberste Gebot bei der Pflanzenwahl. Gleichzeitig sind die sich ändernden Standorteigenschaften durch den Klimawandel unbedingt zu berücksichtigen.
4. Wiesen insektenschonend mähen: Die sogenannte Streifenmahd, bei der Blühstreifen partiell stehen bleiben und zu einem späteren Zeitpunkt gemäht werden, muss Standard bei der Pflege von Wiesen in Leipzig werden. Die Streifenmahd sichert Futterquellen und Rückzugsräume, beispielsweise für Heuschrecken. Weiterhin fordern wir den flächendeckenden Einsatz von insektenschonenden Mahdwerkzeugen. Das sind vor allem Balkenmäher oder sogar Sensen. Im Gegensatz zum weiterverbreiteten Rotationsmäher töten diese Geräte deutlich weniger Insekten bei einem Pflegegang. Langgraswiesen müssen ein bis zweimal im Jahr gemäht werden, um dauerhaft artenreich zu bleiben. Jede Mahd ist gleichzeitig ein Eingriff in das sensible Ökosystem: Sie tötet Wiesenbewohner und Puppenstuben von Insekten, sie nimmt ihnen während der Brutzeit wichtige Nahrungsquellen. Um das komplexe Nahrungsnetz von den Pflanzen und Mikroorganismen über die Insekten, Spinnen und Bodenlebewesen bis zu den Vögeln und Amphibien zu erhalten, müssen Mahdeinsätze die Bedürfnisse der Wiesenbewohner im Blick haben und insektenschonend erfolgen. Die Stadt Karlsruhe geht hier mit gutem Beispiel voran.
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5. Totholz in den Parks belassen: Wir fordern, dass Schnittgut, das bei der Baumpflege in den Parks anfällt, als Totholz an geeigneten Stellen vor Ort verbleibt - als ganzer Baumstamm, aufgebaut als Totholzhaufen oder Benjeshecke. Hier gibt es viele gestalterische Möglichkeiten. Totholz hat eine ganz besondere Bedeutung für das Ökosystem: Viele Kleinstlebewesen leben darin, nutzen die Strukturen für ihre Fortpflanzung und finden hier ihre Nahrung. Einige Wildbienenarten brauchen Totholz als Brutstätte. Für die fleißigen Bestäuber ist es überlebenswichtig, dass Futterquellen in Form eines Blütenangebots und Nistmöglichkeiten möglichst nah beieinander liegen.
6. Gehölze fachkundig und schonend beschneiden: Die erforderlichen Schnittmaßnahmen an Gehölzen müssen schonend, abschnittsweise und grundsätzlich nur außerhalb der Schonzeit erfolgen. Auch das Nachpflanzen junger Gehölze zum Erhalt vitaler Strukturen gehört zu den Pflegemaßnahmen. Hecken und Sträucher sind ein wichtiger (Über-)Lebensraum für Vögel. Sie dürfen in keinem Park und auf keiner Grünfläche fehlen. In dem Dickicht finden sie geschützte Nistmöglichkeiten und Rückzugsräume.
7. Blütenstände über den Winter stehen lassen: Wir fordern, dass Pflanzenreste von Stauden – also Blüten und Stengel – über den Winter stehen bleiben und erst im folgenden Frühjahr zurückgeschnitten werden. Denn Beete mit blühenden Wildstauden sind nicht nur im Sommer ein wertvolles Pollen- und Nektarbüffet: in ihren vertrockneten Bestandteilen finden Insekten im Winter zudem Unterschlupf.
8. Biodiversitätsfördernde Strukturen schaffen: Wir fordern für alle Parks und Grünflächen mehr Strukturvielfalt: Totholzecken, Sandflächen als Nistplätze für Wildbienen, Steinhaufen zum Sonnenbaden und gleichzeitig als Versteck für Amphibien, Reptilien und Insekten, Laubhaufen für Igel, Baumwurzeln. Diese Strukturen fördern die Biodiversität, indem sie das Lebensraumangebot enorm erweitern. Je mehr es davon gibt, desto größer ist der Beitrag zur Artenvielfalt.
9. Laub liegen lassen: In Strauchgruppen, Hecken und Beeten soll das Herbstlaub liegen bleiben. Zusätzlich sollten Laubhaufen von Wiesen und Wegen in Gehölzgruppen und Hecken angehäuft werden. Auf diese Weise entstehen sogar geschützte Winterschlafplätze für Igel. Die Blätter sind eine bedeutende und leider vielfach unterschätzte Lebensgrundlage für eine Vielzahl von Bodenlebewesen, beispielsweise für den Regenwurm. Sie sind für den natürlichen Kreislauf und gesunde Böden von großer Bedeutung. Insekten finden dort Überwinterungsmöglichkeiten und Amseln im winterlichen Leipzig ein Insektenbüffet.
10. Ausreichend Fachkräfte für die Parkpflege einsetzen: Wir fordern, dass die Stadt ausreichend qualifiziertes und geschultes Personal einstellt, um sicherzustellen, dass die hier formulierten, ökologischen Standards fachgerecht umgesetzt werden.
Wir Ökolöwen bleiben dran
In Arbeitstreffen mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig zur Erarbeitung eines Pflegehandbuchs für den Johannapark, setzen wir uns seit 2019 gemeinsam mit den Umweltverbänden BUND und NABU für eine nachhaltige Parkpflege ein. Ein grundlegendes Umdenken können wir bisher leider nicht erkennen. Wir wollen nicht nur Parks, in denen sich Menschen wohl fühlen, sondern Parks, die auch der heimischen Tierwelt nützen: weg vom Einheitsgrün – hin zu vielfältigen, strukturreichen Grünanlagen. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit einem Offenen Brief an Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal und den Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, Rüdiger Dittmar, gewandt.
Zum Hintergrund:
Bereits 2017 haben wir erste Gespräche mit der Leipziger Stadtreinigung geführt und ein Umdenken bei der Art und Weise, wie Grünanlagen gepflegt werden, eingefordert. Erste Ergebnisse unserer Bemühungen finden sich in der Neuanlage von Blühstreifen sowie einigen neu etablierten Langgraswiesen im Clara- und Johannapark. Das sind erste und auch wichtige Schritte – einerseits.
Andererseits sind sie das Ergebnis von knapp fünf Jahren intensiver Arbeit. Das stellt uns nicht zufrieden. Denn: In diesem Zeitraum gab es zahlreiche Akteurstreffen mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer und mit dem Eigenbetrieb Stadtreinigung. An diesen vielen Terminen haben wir Ökolöwen gemeinsam mit BUND und NABU regelmäßig teilgenommen. Wir waren bei Vor-Ort-Begehungen dabei, haben Stellungnahmen zu Konzeptentwürfen geschrieben und dabei immer wieder mehr Biodiversität eingefordert. Die Blühstreifen sind das Ergebnis zäher und langwieriger Auseinandersetzungen um die immer gleiche Frage, wieviel Biodiversität wir in unseren Parks zulassen wollen. Statt lediglich punktuell Maßnahmen umzusetzen, statt seitenweise Konzepte auszuarbeiten und auf 500 Seiten über kleinteilige Formulierung zu feilschen, müssen die von uns geforderten zehn Maßnahmen sofort stadtweit und flächendeckend in allen Leipziger Parks und Grünanlagen angewandt werden.
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