Fassadengrün verhindert anspruchsloses Graffiti

Fassadengrün verhindert anspruchsloses Graffiti

Seine Eigentümergemeinschaft dafür gewinnen, die Hausfassade zu begrünen: Das ist Tobias aus der Endersstraße gelungen. Seit Anfang 2021 wachsen Akebien und Jungfernreben an der Fassade empor. Wir Ökolöwen haben nachgefragt, wie er die Hausgemeinschaft von dem Projekt überzeugt hat.

Kletterpflanzen an einem Altbau gemeinsam mit dem Eigentümer

Ambitionierte Menschen, die sich für Fassadenbegrünung einsetzen, sind oft mit Ängsten, Vorbehalten und ökonomischen Bedenken der eigenen Hausgemeinschaft konfrontiert, wenn sie Kletterpflanzen an das Haus setzen möchten.

Tobias, Anwohner eines Mehrfamilienhauses, hat uns Ökolöwen im Interview erzählt, wie er seine Hausgemeinschaft von der Fassadenbegrünung überzeugen konnte. Seine Argumente können sowohl Eigentümer:innen als auch Mieter:innen helfen, ihre Eigentümergemeinschaft beziehungsweise ihre Vermieter:innen für eine grüne Hauswand zu gewinnen.  

Wie kamst du auf die Idee, eure Fassade zu begrünen?

Das Haus war vor der Begrünung nicht schön anzusehen. Wir hatten oft Tags und schnell gesprühte Graffitis an der Hauswand, ohne erkennbaren künstlerischen Anspruch und Ästhetik. Vorbilder für die Begrünung waren das Café INO (Lützner Straße) und die Pizzeria Pekar (Odermannstraße). So kam die Idee, auch unsere Fassade zu begrünen und unser Quartier mitzugestalten.

Wie konntest du deine Hausgemeinschaft von der Fassadenbegrünung überzeugen trotz der vielen Vorbehalte?

Wir haben verschiedene Strategien zur Graffiti-Prävention einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen. Dafür haben wir Angebote eingeholt und die Fakten gegenübergestellt. Es gab folgende Optionen:

  1. Das Überstreichen der Graffitis: Das ist nur bedingt eine Option, denn wenn die Versicherung bereits mehrfach die Kosten für das Streichen übernommen hat, ist damit zu rechnen, dass die Versicherung Verträge kündigt oder Kosten erhöht. Die Kosten eines Malerfachbetriebs in Höhe von ca. 2.500 Euro brutto würden das Haushaltskonto der Eigentümer:innen und gegebenenfalls die Miete der Mieter:innen langfristig belasten.  
  2. Der Abschluss einer Anti-Graffiti-Flatrate: Dagegen spricht der hohe Preis von mindestens 1.900 Euro brutto jährlich. Wenn das Gebäude außerdem an einem Hotspot der Graffiti-Szene liegt, müsste mit einer Erhöhung im Laufe der Zeit gerechnet werden. In nur drei Jahren würden bereits 5.700 Euro anfallen.
  3. Das Erstellen eines professionellen Graffiti-Bildes: Dabei ist mit einem Preis von mehr als 5.000 Euro auszugehen plus zusätzliche Kosten für die Wiederherstellung nach Schmierereien.
  4. Das Begrünen der Fassade: Für eine Fassadenbegrünung mit Ranksystem sind mit Kosten von rund 4.700 Euro für 140 m² zu rechnen. Neben der verbesserten Graffitiprävention kommen noch Vorteile wie der Hitzeschutz und die Steigerung sowohl des Werts der Immobilie als auch der Qualität des öffentlichen Raums hinzu.

Diese Preise sind dabei auf ein Eckhaus bezogen, das im Prinzip zwei Fassaden hat. Bei den meisten Häusern mit nur einer Fassade werden die Kosten bei gleichbleibendem Nutzen geringer ausfallen.  

Diese Kosten-Nutzen-Analyse haben wir über die Hausverwaltung der Eigentümer:innengemeinschaft vorgelegt. Die Mehrheit hat sich für die Investition einer Fassadenbegrünung ausgesprochen, da diese aus wirtschaftlicher und ästhetischer Perspektive die beste Lösung war.  

Kletterfix Leipzig
So sah die Fassade in der Endersstraße aus, bevor sie begrünt wurde.

Nachdem es gelungen ist, die Eigentümer:innen für die Begrünung zu gewinnen: Wie seid ihr bei der Planung vorgegangen? Was musstet ihr berücksichtigen?

Die meiste Planung fand im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse und bei der Vorbereitung der Entscheidungsvorlage für die Eigentümer:innengemeinschaft statt. Somit hatte die Hausverwaltung so wenig Aufwand wie möglich und alle relevanten Informationen zur Umsetzung zur Verfügung. Diesen Ablauf würde ich auch anderen empfehlen, die sich für eine Fassadenbegrünung an einem Haus einsetzen. 

Die Hausverwaltung hat eine wichtige Schlüsselrolle, da sie sowohl für die Kommunikation mit den Eigentümer:innen als auch für die Beantragung von Genehmigungen und Beauftragung von externen Dienstleistern verantwortlich ist. Zu ihr ist ein guter Kontakt aufzubauen und zu pflegen. Zu der Planung gehört es auch, Genehmigungen für eine straßenseitige Begrünung beim Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) und gegebenenfalls auch beim Amt für Denkmalschutz einzuholen.

Welche externen Dienstleister habt ihr in Anspruch genommen?

Wir haben das Beratungsangebot von euch Ökolöwen in Anspruch genommen und externe Firmen, wie zum Beispiel Fassadengrün e.K., gebeten eine Kostenkalkulation und einen Skizzenverlauf des Rankgerüsts anzufertigen. Ihr wart beide sehr hilfreich.  

Der Garten- und Landschaftsbau Hoffmann hat die Pflanzengruben angelegt. Das Rankgerüst wurde von der Firma Fassadengrün final geplant und von unserem Hausmeisterservice angebracht. Schön war auch, dass wir fünf Pflanzen im Rahmen des Projekts Kletterfix erhalten haben.

Die Hausverwaltung hat für alle auszuführenden Arbeiten Fachfirmen beauftragt, damit die Hausgemeinschaft Vertrauen in die Umsetzung sowie die Gewährleistungspflicht haben konnte. Somit konnten wir Vorurteile und Befürchtungen, dass Schäden an der Fassade entstehen, aus dem Weg räumen.  

Für welche Kletterpflanzen habt ihr euch entschieden?

Wir haben uns für Gerüstkletterer entschieden, um Kritiker:innen, die um die Unversehrtheit und Langlebigkeit der Fassade fürchteten, zu beruhigen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Begrünung schützt die Fassade vor Witterung und macht sie langlebiger! Wir haben uns für eine Mischbegrünung aus Akebie und Jungfernrebe, die in 14 Pflanzgruben wachsen, entschieden.

Die Akebie haben wir an den Fassadenkanten und um die Eingangstür gepflanzt, so entsteht ein immergrüner Rahmen. Bei der Jungfernrebe schätzen wir die Rotfärbung im Herbst. Das Café INO und das PEKAR haben auch Akebien, so passt unsere Begrünung zum Charakter des Quartiers, während die Jungfernrebe eine farbenfrohe Abwechslung bringt.

Kletterpflanzen an einem Leipziger Altbau
Bereits nach anderthalb Jahren haben die Kletterpflanzen das Erscheinungsbild des Altbaus verändert.

Wie stellt ihr euch die weitere Pflege der Begrünung vor?

Im trockenen Hochsommer haben wir einmal pro Woche die Pflanzen gegossen. Wir achten gleichzeitig darauf, die Pflanzen nicht zu viel zu gießen, damit sie sich nicht daran gewöhnen, sondern tief wurzeln.

Außerdem führen wir die Triebe in der Wachstumsperiode ein bis zweimal im Monat ans Rankgerüst, meistens einfach während des Kommens oder Gehens. Perspektivisch werden die Pflanzen, wenn sie größer sind, einmal im Jahr geschnitten. So wie Mensch das auch im eigenen Garten macht. 

Wie hat sich eure Begrünung entwickelt? Gab es zwischendurch Schwierigkeiten?

Die Jungfernrebe hat sich sehr gut entwickelt, die Akebie ist an manchen Stellen leider etwas mickrig. Insgesamt gibt es viel weniger Schmierereien an der Hausfassade. Ab und zu drängt sich ein Schriftzug zwischen das Rankgerüst. Das wird dann zeitnah von unserem Hausmeisterservice überstrichen. Generell wird unsere Erwartung erfüllt: Je dichter die Pflanzen wachsen desto weniger anspruchslose Graffiti haben wir an der Wand.  

Wie stehen die anderen Hauseigentümer:innen heute zu der Fassadenbegrünung?

Es gibt eine große Zufriedenheit bei uns im Haus. Wir haben nach der erfolgreichen Begrünung der Fassade auch im Hinterhof Kletterpflanzen gesetzt.

Magst du darüber hinaus noch weitere Erfahrungen teilen?

Der gesamte Prozess hat circa zwei Jahre gedauert. Mein Rat ist daher: einen langen Atem behalten, wenn Mensch freundlich und bestimmt die Hausverwaltung sowie die Eigentümer:innen von den vielen Vorteilen der Fassadenbegrünung begeistern möchte. Die Planung und Umsetzung sind dabei von Zyklen abhängig.

Beispielsweise werden Entscheidungen von der Eigentümer:innengemeinschaft nur einmal im Jahr getroffen. Und wenn das geschafft ist, ist noch der richtige Zeitpunkt zum Pflanzen im Herbst abzuwarten, damit die Kletterpflanzen so gut wie möglich im kommenden Frühjahr austreiben.  

Deswegen ist es hilfreich, wenn Mensch sich auf ein mittelfristiges Projekt, also auf ein bis drei Jahre, mit viel Kommunikation einstellt und sich auf die Treffen mit der Gemeinschaft mit guten Argumenten vorbereitet. Das Projekt, die Fassade zu begrünen, ist definitiv möglich wie wir zusammen mit dem Café INO und dem PEKAR im Leipziger Westen gezeigt haben. Ich wünsche allen viel Erfolg bei ihren Projekten.

Lust auf noch mehr Beispiele aus Leipzig?

Wir Ökolöwen haben im Rahmen von Kletterfix zahlreiche Begrünungsprojekte in Leipzig begleitet. Ein paar dieser Beispiele für gelungene Fassadenbegrüngen haben wir dokumentiert, damit sie Nachahmer:innen inspirieren.

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