Ökolöwen-Vision zur Rettung der Leipziger Nordwestaue
Ökolöwen-Vision zur Rettung der Leipziger Nordwestaue
Der Auwald bekommt zu wenig Wasser. In der Nordwestaue ist die Neue Luppe der Schlüssel zur Rettung des Auwaldes. Die Stadt muss die Neue Luppe renaturieren und so die dringend notwendige Verknüpfung zwischen Fluss und Auwald wiederherstellen.
Der Leipziger Auwald ist einer der größten zusammenhängenden Hartholzauenwälder, die in Deutschland noch vorhanden sind. Im Leipziger Nordwesten erstreckt sich entlang der Neuen Luppe und der Weißen Elster ein Auenband vom Elsterbecken über die Grenze zur Stadt Schkeuditz hinaus bis nach Sachsen-Anhalt. Die Bedeutung des Auwaldes zum Schutz von Arten und Natur ist enorm. Das Gebiet ist aufgrund seiner nationalen und internationalen Bedeutung unter Schutz gestellt.
Ein Auwald zeichnet sich durch die starke Verknüpfung mit den Flüssen aus, entlang dieser sich der Wald über Jahrhunderte entwickelt hat. Durch diese Verknüpfung wird der Auwald regelmäßig überflutet und auch der Grundwasserstand ist besonders hoch. Nur durch diese besondere Dynamik im Zusammenspiel von Fluss und Wald kann sich die einzigartige Artenzusammensetzung von Pflanzen und Tieren entwickeln, die einen Auwald ausmacht.
Vor den baulichen Eingriffen durch den Menschen insbesondere im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war der Leipziger Auwald Teil eines großen Binnendeltas der Weißen Elster vor ihrer Mündung in die Saale. Die flache Landschaft und das geringe Gefälle begünstigten das. Die Weiße Elster, ein kiesgeprägter Tieflandfluss, konnte in großen Flussschlingen mäandrieren, häufig ihr Bett wechseln und sich in viele Nebenarme aufspalten.
Unsere Vision der Nordwestaue
Unsere Vision orientiert sich an diesem natürlichen Zustand. Die Neue Luppe ist der Schlüssel zur Rettung des Leipziger Auwaldes in der Nordwestaue. Soweit der Hochwasserschutz es zulässt, müssen die Deiche zurückgebaut und die Sohle der Neuen Luppe angehoben werden. Nur so sind dynamische Überflutungen des Auwaldes und eine Stabilisierung des Grundwasserstandes dauerhaft möglich. Die Neue Luppe bekommt wieder die Struktur eines echten Flusses und der Auwald kann sich erholen und als einzigartiges Ökosystem erhalten werden.
Chance für die Artenvielfalt
Das Potenzial für die Natur ist gigantisch. Durch die Verknüpfung der Neuen Luppe mit der noch vorhandenen Auenlandschaft könnte der Auwald erhalten und entwickelt werden. Unzählige neue Lebensräume würden entstehen:
Durch die Anhebung des Gewässerbettes der Neuen Luppe und die teilweise Auflösung der Uferbefestigung kann die Neue Luppe einen diversen Flusslauf ausbilden. Die wechselnden Wasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten lassen es zu, dass sich Kiesbänke ausbilden können. Die Strömung ist hier so stark, dass sie Schlamm und Sand wegspült und kaum Pflanzen wachsen. Es entstehen ideale Lebensräume für zahllose Eintagsfliegen, Köcherfliegen und Steinfliegen. Fallen die Kiesbänke bei niedrigeren Wasserständen trocken, siedeln sich beispielsweise Laufkäfer und Spinnen an.
Durch den teilweisen Rückbau der Deiche fließt die Neue Luppe teilweise direkt durch den Hartholzauwald und die sich neu bildende Weichholzaue. So kann sich auch Totholz im und am Gewässer ablagern. Für viele verschiedene Arten, wie Flohkrebse und Käfer, ist Totholz überlebenswichtig. Die Tiere leben in dem Holz und ernähren sich von den Algen, Bakterien und Pilzen, die auf dem Holz wachsen. Diese Arten gibt es also nur, wenn es auch Totholz im Gewässer gibt.
Durch den sich ausbildenden strukturreichen Fluss kann eine neue Weichholzaue entstehen. Typisch für eine Weichholzaue sind verschiedene Weiden, Schwarz-Erlen und auch Schwarz-Pappel. Diese Baumarten sind an Standorte angepasst, die mehrmals jährlich und über längere Zeiträume überflutet werden. Viele Insekten, wie Käfer, Tag- und Nachtfalter sind an diese Baumarten gebunden. Auch für verschiedene Vogelarten sind sie ein optimales Habitat.
Durch die regelmäßigen Überflutungen und den höheren Grundwasserstand kann der noch vorhandene Hartholzauwald sich wieder natürlich entwickeln. Das Massenaufkommen von Berg- und Spitz-Ahorn könnte den Überflutungen nicht standhalten und würde zurückgehen. Die Bestände von Stiel-Eiche, Esche und Ulme hätten gute Voraussetzungen, um sich zu erholen.
Auch Feuchtwiesen und Staudenfluren sind typische Begleitvegetationen von Fließgewässern. Die Artenzusammensetzung kann standortabhängig sehr unterschiedlich sein. Beispielsweise können sich Mädesüß-, Schleier- und Giersch-Gesellschaften ausbilden. Die artenreichen Wiesen sind ein Hotspot für verschiedene Wildbienen, Heuschrecken und Schmetterlinge.
Die renaturierte Neue Luppe kann die Aue bei Hochwasser regelmäßig überfluten. In Senken kann sich das Wasser sammeln und so bilden sich Kleingewässer, die nur einige Monate im Jahr mit Wasser gefüllt sind und zeitweilig austrocknen. Temporäre Kleingewässer sind einzigartige Lebensräume für verschiedene Amphibien und Krebse. Durch die Austrocknung können sich hier keine Fische ansiedeln, die die Krebse sowie den Laich und die Larven der Amphibien Fressen würden.
Der dynamische Austausch von Wasser und Substrat zwischen dem Fluss und der Aue würde dafür sorgen, dass all diese Lebensräume entstehen und sich in Abhängigkeit von Hoch- und Niedrigwasserereignissen verändern und wieder neu entstehen. Eine tatsächliche Auendynamik könnte sich etablieren!
Die Entwässerung der Landschaft und die Nordwestaue heute
Um Platz für Land- und Forstwirtschaft zu schaffen und Siedlungen und Straßen anlegen zu können, wurde die Landschaft im 19. und Anfang des 20. Jh. aufwändig umgestaltet. Ein Höhepunkt war das Anlegen der Neuen Luppe als künstliches neues Hauptgewässer in den 1930’er Jahren. So wurde das ehemals kilometerbreite Delta in ein schmales Gerinne konzentriert.
Um trotzdem das gesamte Wasser abführen zu können, wurde ein tief eingeschnittener Kanal hergestellt und Deiche angelegt. Durch diese gravierenden wasserbaulichen Maßnahmen wurden die Flüsse vom Auwald abgeschnitten. Seit fast einem Jahrhundert sind Fluss und Auwald so voneinander getrennt und die ökologische Funktion beider Ökosysteme gravierend gestört.
Bis auf das fließende Wasser hat die Neue Luppe mit einem natürlichen Fluss kaum etwas gemeinsam. Der befestigte Kanal besitzt keine Strukturen, wie Kiesbänke, Inseln, Totholz und strömungsberuhigte Bereiche. Ein abwechslungsreiches Mosaik dieser und vieler weiterer Elemente zeichnen einen Fluss jedoch aus und ist unerlässlich für die Artenvielfalt und die ökologische Funktionsfähigkeit.
Mensch vor Natur: Der strukturarme, tief eingeschnittene Kanal fokussiert auf wenige Funktionen – das Abführen des Wassers und die Entwässerung der Landschaft.
Der Deich trennt den Fluss vom Auwald
Auf der anderen Seite des Deiches ist der Auwald von jeglicher Wasserdynamik abgeschnitten. Die typische Baumartenzusammensetzung eines Hartholzauwaldes dominiert von Stiel-Eichen, Ulmen und Eschen ist von dynamischen Wasserständen und so auch regelmäßigen Überflutungen abhängig. Gibt es diese Hochwasserdynamik nicht mehr, verändert sich auch die Baumartenzusammensetzung: Der Wald ist kein Auwald mehr.
Damit geht die Besonderheit eines Auwaldes verloren. Die Zusammensetzung der Tier- und Pflanzenarten ist grundlegend verschieden und zahllose angepasste Insekten, Vögel, Kräuter und andere Arten verschwinden.
Dieser Prozess ist im Leipziger Auwald in den vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich vorangeschritten. Die typischen Baumarten sind durch das fehlende Wasser geschwächt und anfällig für Baumkrankheiten und Schädlinge. An ihre Stelle treten unter den neuen Bedingungen konkurrenzstärkere Arten, wie Spitz- und Berg-Ahorn. Diese vermehren sich so stark, dass sie die Neuansiedelung von jungen Eichen verhindern, die viel Licht zum Keimen und Heranwachsen benötigen.
Erste Maßnahmen und Ausblick
Die Aufwertung des Burgauenbaches im Jahr 2023 hat dazu beigetragen, dass Teile der Burgaue wieder überflutet werden können. Die Folgen der Eindeichung der Neuen Luppe wurden so abgemildert und der Auwald hat etwas Zeit gewonnen.
Wir Ökolöwen fordern, zusätzlich kurzfristig Flutungen aus der Nahle zu ermöglichen, um große Mengen Wasser in den Auwald zu bringen. Letztlich kann ein so großflächiger Auwald, wie im Nordwesten Leipzigs jedoch nur durch die Verknüpfung mit den Hauptgewässern wirklich gerettet werden. Die Stadt muss die Neue Luppe muss zielstrebig renaturieren.
Die Stadt muss einen Auenrettungsplan erarbeiten. Sie muss darlegen, welche Deiche sofort zurückgebaut werden können und wie die Neue Luppe renaturiert werden kann.
Rette mit uns den Auwald
Der Auwald ist Leipzigs Juwel: Er macht Leipzig lebenswert und ist in Europa einzigartig. Doch er stirbt gerade. Denn bereits seit Jahrzehnten trocknet er immer weiter aus. Wenn das so weitergeht, ist der Auwald bald kein Auwald mehr. Ein wichtiger Lebensraum geht verloren.
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